Genossen sind kein Auslaufmodell!
Viele Projekte,
die vor 20 oder sogar 35 Jahren im Bereich der Kultur, der Medien
oder sozialen Einrichtungen gegründet wurden, sind inzwischen etwas
in die Jahre gekommen. Die Gründer überlegen sich, wann sie in Rente
gehen, aber auch, wie sie den Fortbestand ihres Projektes, das
vielleicht auch ihr Lebenswerk ist, langfristig sichern.
Als
Rechtsform bietet sich die eingetragene Genossenschaft (eG) an. Auf
Grund einer Gesetzesänderung kommt die eG eher und für manche
überhaupt erst als Rechtsform in Frage.
Bisher fristete die
eG als Rechtsform ein Schattendasein. Aus den 50er Jahren ist
manchen Senioren das Konsum noch ein Begriff mit Ausschüttungen für
die Mitglieder abhängig von ihrem Einkauf, bevor das
Rabattmarkenklebesystem eingeführt wurde (das heute mit der weniger
lukrativen Pay-Card fröhliche Urständ feiert).
Heute sind es vor
allem die Raiffeisenbanken, Wohnungsbau-, Winzer- und
Taxigenossenschaften, die uns als eG bekannt sind, die aber vor
allem auf Profit ausgerichtet sind.
Die Versuche, die eG zu
nutzen für sozial orientierte Selbsthilfeprojekte, scheinen mir eher
der Nostalgie Alt-68er zu entspringen und Anlass zu bieten für viele
Forschungsarbeiten, als dass wirklich langfristige Existenzen damit
ermöglicht würden. Denn für den Betrieb einer eG sind nicht nur bei
den Beratern sondern auch bei den Betreibern betriebswirtschaftliche
Kenntnisse nötig, die über das hinausgehen, was eine
Ein-Personen-GmbH beherrschen muss.
Die bisher oft
verwandten Rechtsform-Alternativen für größere soziale oder
kulturelle Projekte sind der gemeinnützige, eingetragene Verein, der
sich allerdings nur sehr begrenzt wirtschaftlich betätigen darf und
von oft eher zufällig entscheidenden Mehrheiten abhängig ist. Bei
der GmbH ist der Ein- und Austritt von Gesellschaftern mit sehr viel
Aufwand verbunden, die Rechtsform eignet sich also nicht für
größere, gelegentlich fluktuierende Teams. Und auch die
Zweigleisigkeit von Träger-GmbH und Förder-Verein bedeutet, dass vor
allem in gemeinnütziger Form immer wieder in einer Grauzone laviert
werden muss.
Und wenn man Entscheidungen nicht vom Kapital, also
von der Größe der Anteile eines Anteilseigners abhängig machen will
(wie in der Aktiengesellschaft), sondern eher dem demokratischen
Prinzip „one man one vote“ huldigt, kommt man automatisch zur eG.
Womit schon eine der Grundlagen des Genossenschaftsmodells
angesprochen wird: nur mit Rendite-Interessen und ganz ohne
Überzeugung für das gemeinsame Ziel geht es nicht. Grundlage der
Genossenschaft ist das Engagement des Mitglieds für die gemeinsame
Sache.
Wenn dies Engagement gegeben ist, eignet sich die eG als
Träger (auch in gemeinnütziger Form für steuerbegünstigte
Zweckbetriebe) für größere Kulturprojekte wie Theater (Basel),
Orchester, Programmkinos (Aalen), Medienprojekte (Mediendenkfabrik
Hamburg, taz Berlin), aber auch für Waldorfschulen, DENIC
(Domainverwaltung), Internetantiquare und greenpeace energy. Es
können viele Personen, die einfach nur der „guten Sache“ helfen
wollen, relativ einfach Mitglied werden und Einlagen zahlen. Und so
kann die eG Träger des Projekts und gleichzeitig quasi Förderverein
sein. Dem zukünftigen Genossen muss also klar gemacht werden, warum
und wofür er Kapital zur Verfügung stellen soll, worauf er Einfluss
nehmen kann und soll und was er davon hat: Beim Theater Basel sind
es im wesentlichen zwei Freikarten, bei der taz neben einer Kiste
Wein Vergünstigungen bei einem Recherche-Auftrag. Aber der Vorteil
sollte sich nicht nur auf nette Gesten beschränken, sondern sich
handfest auch in Heller und Pfennig niederschlagen.
Die
eigentlichen Akteure in der Genossenschaft können ihre Aufträge
durch Arbeits- oder Werkverträge erhalten und sind entsprechend zu
versichern und zu versteuern. Gewinnausschüttungen (Dividenden) auf
die Anteile sind Kapitalerträge und damit kein Arbeitseinkommen,
anders also als bei der Gewinnverteilung in einer GbR.
Beim
Theater Basel können Angestellte des Theaters übrigens nicht
Genossen werden, wohl um Querelen des Tagesgeschäfts aus den
Genossenschaftsversammlungen fernzuhalten.
Eine
EU-Richtlinie bringt - wie so oft - neuen Schwung in die
Überlegungen um diese alte Rechtsform. Im Sommer 2006 muss der
Bundestag eine Novelle verabschieden. Es sind bestimmte
Erleichterungen zu erwarten:
· Die eG steht jetzt auch für
soziale und kulturelle Zwecke offen.
· Eine eG kann auch nur aus
3 (auch juristischen) Personen bestehen.
· Bis 20 Mitgliedern
reicht auch nur 1 Person als Vorstand, auf einen Aufsichtsrat kann
dann verzichtet werden.
· Ein Mitglied kann bis zu 3 Stimmen
haben, die auch von Anteilen abhängig sein können.
· Mitglieder
müssen nicht selbst in der eG arbeiten, sie können auch nur
investieren.
· Es sind auch reine Sacheinlagen möglich.
· Die
Rückzahlung von Anteilen bei Ausscheiden wird restriktiv gehandhabt,
um den Fortbestand der eG nicht zu gefährden. Anteile können aber
auch verkauft werden.
· Die regelmäßige Prüfung bei kleinen eG’s
ist nur alle 2 Jahre erforderlich.
Die Prüfung hat durch
einen staatlich beaufsichtigten Prüfungsverband
(Pflichtmitgliedschaft erforderlich) zu erfolgen und garantiert eine
optimale Kontrolle der Finanzen, verhindert die Spekulation mit dem
eingezahlten Kapital und vermindert das Risiko der Insolvenz. Aber
diese Prüfung hat auch ihren Preis: sie dauert selbst bei kleinen
Einrichtungen mindestens 2 Tage und kostet um die 2500 €.
Die eG
wird wie eine Kapitalgesellschaft geführt. Dementsprechend muss ein
recht hoher Bürokratieaufwand getrieben werden.
Die Haftung der
Genossen kann auf ihre Einlage oder ein Vielfaches davon begrenzt
werden – und das sollte sie auch.
Ein bestehender Verein
oder eine GmbH kann mit gewissen Formalien in eine eG umgewandelt
werden. Vielleicht kann ein Kulturträger so noch mehr Langlebigkeit
erhalten – und das wäre doch schön.
Ach, und noch was: Die
„Genossen“ heißen nicht mehr „Genossen“, sondern „Mitglieder“, um
„sich dem allgemeinen Sprachgebrauch anzupassen“, so die Regierung.
Ist doch nett, oder? Also Schluss mit der Nostalgie! Keine
Sitzungseröffnung mehr mit „Genossinnen und Genossen“! Aber „Brüder,
zur Sonne, zur Freiheit“ kann man ja trotzdem singen.

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Alle Rechte: Stefan Kuntz
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