Ist das nicht absurd? Wie kann eine Pflicht irgendwie
von Nutzen sein? Naja, bevor ich philosophisch werde ...
Es
handelt sich um eine reale Möglichkeit: Ich lass mich (als Theater
oder Orchester) nicht von der Umsatzsteuer befreien oder ich werde
freiwillig umsatzsteuerpflichtig und erwarte dann eine schöne
Vorsteuerrückerstattung vom Finanzamt, das heißt: ich bekomme einen
Teil der bereits von mir an diverse Händler bezahlten Mehrwertsteuer
zurück. Ja, das stimmt!
Aber wann rechnet sich das?
Egal ob Gruppe oder Solist, Künstler sind seit dem EuGH-Urteil mit 7 % Mehrwertsteuer umsatzsteuerpflichtig.(Nicht
aber: Zauberkünstler, Artisten, Bauchredner, Diskjockeys)
Wer
also 1000 € eingenommen hat und zusätzlich 70 € Mehrwertsteuer und
wer 500 € ausgegeben hat und zusätzlich 80 € Mehrwertsteuer, bekommt
vom Finanzamt 10 € rückerstattet, wenn er umsatzsteuerpflichtig ist.
Und das ist er, wenn er im letzten Jahr mehr als 17.500 € Umsatz
gemacht hat, oder es freiwillig sein will.
Aber Achtung!
Wenn ein Theater oder Orchester auf diese Art wegen sehr großer
Investitionen sehr viel USt vom Finanzamt zurückerhält, wird das FA
von Amts wegen das Theater (oder das Orchester) auch rückwirkend von
der USt befreien (solange wie der Vorbehalt im USt-Bescheid nicht
aufgehoben wurde), ob frau will oder nicht. Und dann muss frau sehr
viel Rückerstattung rückerstatten und kann dabei pleite gehen.
Nun aber zu den weiteren und leider komplizierten Pferdefüßen:
Das Zahlenbeispiel oben geht davon aus, dass frau Künstlerin ihren
Kunden die Mehrwertsteuer zusätzlich berechnen kann, weil das die
Kunden nicht stört. Als Autohaus etc. ist man nämlich selbst
vorsteuerabzugsberechtigt. Und es geht davon aus, dass in allen
Ausgaben 19 % MWSt steckt. Das ist aber nicht der Fall, ich würde
schätzen, durchschnittlich sind 12 % MWSt zu zahlen (Bücher und
öffentl. Verkehrsmittel unter 50 km z.B. nur 7 %).
Aber z.B.
Jugendämter oder Kirchen stört es, weil die 7 % für sie zusätzliche
Kosten sind, deshalb sagen die dann schon mal gerne „nee, nicht
1070, sondern 1000 inklusive“.
Zum andern ist es so, dass die
zusätzliche Buchführungsarbeit und die Bürokratie mit dem FA auch
Zeit, Arbeit und Nerven kostet, ich würde mal sagen, 250 € im Jahr.
Mann kann nicht von Jahr zu Jahr wechseln, ob frau befreit sein
will oder nicht. Hohe Ausgaben (Investitionen), die dazu führen,
dass kein Gewinn übrig bleibt, dürften doch hoffentlich nur in den
ersten Jahren anfallen. Irgendwann wollt ihr doch auch davon leben,
müsst also Gewinn machen.
Und wenn ihr richtig Gewinn macht,
solltet ihr euch wohl befreien lassen.
Also Faustregel:
In den ersten zwei, drei Jahren mit hohen Investitionsausgaben Vorsteuerrückerstattung voll (nicht
pauschaliert) in Anspruch nehmen, danach befreien lassen.
Wer aber (nur) kommerzielle Kunden hat, die die MWSt ohne zu murren
zusätzlich zahlen, der sollte von Anfang an USt-pflichtig werden,
wenn die Ausgaben gut über 1 / 6 der Einnahmen liegen.
Wenn
Ihr dazu noch Fragen habt, gerne!
Ich rechne Euch Eure
individuelle Situation aus und spreche dann eine entsprechende
Empfehlung aus.
Ansonsten findet Ihr dazu auch mehr im „Survival
Kit“ und zwar ca. 17 Seiten!

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Alle Rechte: Stefan Kuntz
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